Liebe Fußballfreunde und Freundinnen,

hören Sie es? Nein? Bitte hören Sie noch einmal genau hin - immer noch nichts?

Genau – keine Autokorsos, keine Fanmeilen, keine Fahnen wehen aus den Fenstern, keine spontanen Gelage unter den toleranten Blicken der Sicherheitskräfte, keine Sondersendungen.
Was schließen wir daraus? Die Damenmannschaft hat die WM gewonnen – einfach so und dabei noch den ein oder anderen Rekord aufgestellt.
Ich frage mich bisweilen, ob unsere Damen-Elf Stroh zu Gold spinnen muss, um endlich die Anerkennung zu bekommen, die sie verdient.

Man wird Ihnen sicherlich bei ihrer Rückkehr einen schönen Empfang bereiten, aber nehmen Sie einfach einmal die andere WM zum Vergleich. Da wird dieser Sieg zur Fassbrause verglichen mit dem Champagner, der letztes Jahr perlte.
Zum Lohn für ihre überragende Leistung bekommen unsere Fußballdamen ein Sechstel dessen, was den Herren als Siegesprämie gewunken hätte – ein Sechstel!
Dafür dürfen sie vielleicht auch noch einmal für einen Slipeinlagenspot kicken – das ist doch was! Warum kickt die Männer-Equipe eigentlich nicht für ein Prostatamittel? Das richtige Alter dafür hätten sie.

Da kann ich nur sagen: Deutschland, ein Ammenmärchen!

Ich saß am historischen Tag des Endspiels leider  im Zug auf dem Rückweg von einem Workshop in meiner alten Heimat dem Rheinland. Typisch Frau werden Sie jetzt sagen (jedenfalls die Männer) aber der Job geht halt vor.
Und da mir das Zugfahren mit Bombendrohungen bei Minden (Hinweg) und Bummelei vor Köln mit beinahe Anschluss verpassen (Rückweg) noch lange nicht aufregend genug ist, las ich die „Bild am Sonntag“.
Immerhin hat sie mit den Mädels aufgemacht – das hat sie dem Berliner Kurier voraus, der den Einzug in das Halbfinale mit einer Meldung kommentierte, die nur halb so groß war wie die Neuigkeiten aus der Bundesliga.
Nun habe ich mich also gefreut und noch mehr, als ich las, dass ich abends in der Lage sein würde, mir das Spiel in Ruhe anzusehen, da es um 20.00 Uhr beginnen würde.
Mit entsprechenden Utensilien bewaffnet ließ ich mich dann auch vor dem heimischen Fernseher nieder, um einen Damen-Fußballabend zu genießen, um dann zu erfahren, dass das Spiel schon nachmittags gelaufen war.
Die Enttäuschung können sich vor allem die Herren unter meinen Lesern jetzt sicherlich vorstellen.
Wer hatte Schuld? Die Bild am Sonntag. Natürlich war das Spiel abends – aber halt nach chinesischer Zeit. Das hatten sie nicht gemeldet. So kennen wir die Springer-Presse: Sie lügt nicht, aber die Wahrheit sagt sie eben auch nicht.

Gestern konnte ich einen (vermutlich selbsternannten) Wirtschaftsfachmann sagen  hören, dass Klima und Familie als Themen ja ganz nett seien, aber die Wirtschaft nach wie vor das wichtigste Thema überhaupt wäre. Ich weiß nicht, wie lange wir uns so viel testosterongesteuerte Ignoranz noch leisten können. Wenn wir die Basis unserer Gesellschaft und ihre Umweltbedingungen ignorieren, können wir gleich zum zweiten Planeten greifen, den dieser Herr offensichtlich in seinem ideologischen Kofferraum herumfährt. Wahrscheinlich muss er sich bei seinen Kindern ausweisen, wenn er mal nach Hause kommt und seine Frau wird sich im Valiumnebel ihr Leben schön trinken.

Alle kritteln ja auch gerne an Angela Merkel rum – im Ausland mache sie „Bella Figura“,  im Innland zeige sie Führungsschwäche.
So ist das halt mit uns Frauen – die Niederlage wird gefeiert (Gabriele Pauli), der Sieg wird ignoriert (Weltmeisterinnen). Wobei ich das nicht gleichsetzen möchte – bitte schön! Gabriele Pauli hat in den letzten Monaten lediglich den Beweis geführt, dass man nicht bekloppt sein muss, um als Frau in der CSU zu sein, dass es aber hilft….

Ein Herrenrundenwitz geht so: „Warum werden Frauen unterdrückt? Weil es sich bewährt hat.“

Das glaube ich beinahe auch, weil so verklemmt die Herrenwelt auf den historischen Sieg der Damenmannschaft reagiert hat, muss man ja befürchten, dass bei einer echten Frauenemanzipation der Fortbestand der Menschheit gefährdet wäre.
Also liebe Frauen, seid wirklich lieber schön als klug und erfolgreich, weil wir unseren Männern das Denken erst noch beibringen müssen.

So und  jetzt stelle ich mich auf meinen Balkon und werde tröten und die Wimpel schwenken!
Ihre randalierende

Helene Mierscheid