Gesundheit oder wenn das Reformhaus zum Irrenhaus wird

Der Volksmund wünscht sich beim Niesen gerne ein Prosit oder Gesundheit! Und das heute mit mehr Grund denn je. Während einig Fußballdeutschland eine politische Kröte nach der anderen schluckt als wären es leckere Bonbons, ist sich die politische Elite selten so einig gewesen, dass jetzt die Zeit ist, noch in paar mehr Kröten auf die Sprünge zu helfen und per Beschluss zu verabreichen, bevor die Nation wieder anders sieht als nur in den Farben schwarz-rot- gold.

Die Mehrwertsteuererhöhung ist klaglos durchgegangen, der Widerstand im Bundesrat schneller gebrochen als eine Salzstange beim Fußballspiel. Das war einfach. Wahrscheinlich kann sich Otto-Normalverbraucher drei Prozent mehr auf fast alles was man kauft einfach nicht vorstellen. Die Mehrwertsteuer ist so vermeidbar wie die Jahrszeiten: nicht wirklich.

Da kann der Verbraucher nur eines tun: Ab 1. Januar nichts mehr kaufen und basta! Also: mit allem eindecken, was man benötigt und dann einen auf „Deutschland nach dem Atomschlag“ machen oder im Nachbarland einkaufen – das lohnt sich für die Wessis in Liechtenstein und für die Ossis in Polen.

Kein schlechter Gedanke: Wenn Arbeitsplätze abgebaut oder ins Ausland verlagert werden schicken wir die Kaufkraft einfach hinterher!

Bei der Föderalismusreform weiss man noch weniger, was auf einen zukommt. Die Kleinstaaterei wird dadurch aber auf alle Fälle vorangetrieben, was ich für eine schöne Gegenbewegung zur Globalisierung halte. Ausserdem darf ich diese Reform nicht kritisiern, weil dafür jetzt die Länder zuständig sind.

Aber zurück zur Gesundheitsreform. Es mag nach wie vor nicht jedem einleuchten, dass unser Gesundheitssystem dauernd reformiert werden muss. Eines aber ist gewiss: es wird nachher komplizierter und teurer werden. Das Schöne an der Materie ist ja, dass sie keiner versteht. Niemand hat verlässliche Zahlen, was bei mehr als dreihundert gesetzlichen und unzähligen  Privatversicherungen nicht verwunderlich ist. Dafür hat fast jeder Player in dem Spiel knallharte Interessen zu vertreten und das hat ja auch was. Da werden Zahlen jongliert, wie weiland bei den Hartz-Gesetzen. Damals sollte durch  Hartz IV der Bund 60 Millionen sparen – so wurde der Weg für eine 4 Milliarden-Kröte vorbereitet. Bei der Gesundheit geht es um den einzigen wahren Wachstumsmarkt. Es geht um einen Gesamtumsatz von über 120 Milliarden Euro. Das ist viel Geld. Darum wird mit harten Bandagen gekämpft. Ulla Schmidt ist hier auf alle Fälle die richtige Frau am richtigen Ort. Als Sonderpädagogin ist sie es gewohnt, mit verhaltensauffälligen Menschen umzugehen.

Tja was wird geredet von kleiner Kopfpauschale und steuerlicher Finanzierung der Kinderbeiträge in der gesetzlichen Krankenkasse. Die das so fromm fordern meinen natürlich die steuerliche Finanzierung der Kinderbeiträge in der privaten Krankenkasse, in der bisher für jedes Kind einzeln bezahlt werden muss – das ist Besserverdienenden schon lange ein Dorn im Auge. Deshalb alles schön auf die Gemeinschaft abwälzen. Seit wann eine Umverteilung über Steuern sozial gerecht sein soll, wird ein Geheimnis der Verhandlungspartner bleiben. Wer unser Steuersystem kennt weiß, dass es mit sozialer Gerechtigkeit soviel zu tun hat wie eine Nutte mit Keuschheit.

Damit bleibt man aber stringent in der Linie der Mehrwertsteuererhöhung, weil die natürlich auch nur die Besserverdienenden treffen wird – klar.

Eigentlich ist man sich ja grundsätzlich einig, dass im Gesundheitssystem genug Geld vorhanden ist, es aber falsch und vor allem nicht nachvollziehbar verteilt wird. Meine HNO-Ärztin möchte schon immer die Kassenärztlichen Vereinigungen abschaffen, um direkt mit der Krankenkasse abrechnen zu können. Das wäre doch mal ein Schritt! Jeder Arzt den man hierzu befragt fände das gut, wahrscheinlich wird es deshalb keinesfalls gemacht.

Auch die Glaubenskrieger bei der SPD und den Gewerkschaften, die wieder mal mit der Bürgerversicherung die privaten Krankenkassen faktisch abschaffen wollen, würden sich nach erfolgreicher Mission dumm umschauen, weil durch das Extrageld der privaten Liquidationen die geringen Sätze der gesetzlichen Krankenversicherung mitfinanziert werden.

Egal welches Bein also amputiert wird, am Ende kommt auf alle Fälle ein Krüppel heraus.